Verfassungsschutz-Bericht: „Frühwarnsystem“ desolater denn je

Wer nicht enttäuscht werden will, darf die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Genauso verhält es sich mit dem neuen Verfassungsschutz-Bericht: Neu in den Bericht aufgenommen wurden zwar die „Identitäre Bewegung“ und Strukturen der sogenannten Reichsbürger-Bewegung, die seit vergangenem Jahr beobachtet werden. Beide Fälle sind aber kein Ruhmesblatt für die Behörde, sondern zeigen, dass man mit neueren Entwicklungen der extremen Rechten nicht umzugehen weiß.

Denn zu den Reichsbürgern hatte sich Innenminister Ulbig jahrelang für unzuständig erklärt – das änderte sich erst nach jüngsten Gewaltstraftaten aus diesem Spektrum. Und die „Identitären“ konnten sich lange Zeit völlig unbehelligt ausbreiten – weil man vier Jahre lang das rechte Auge zugedrückt hat.

Unverändert als „asylkritisch“ verharmlost wird die völkisch-nationalistische Pegida-Bewegung. Im Vorjahresbericht tauchte sie im Kapitel über „Linksextremismus“ auf. Anlass dafür waren Auseinandersetzungen rund um den sogenannten Pegida-Geburtstag im Oktober 2015, die Linken zugeschrieben wurden. Inzwischen ist klar, dass sich das Amt entweder geirrt oder absichtlich Propaganda verbreitet hat. Meinen Informationen zufolge hatte es damals Aufrufe in der rechten Szene gegeben, Gegendemonstranten anzugreifen. Genau so kam es dann auch – mitgemischt haben unter anderem mutmaßliche Anhänger der „Gruppe Freital“ und der „Freien Kameradschaft Dresden“.

In den damaligen Bericht aufgenommen wurde auch eine anschließende Auseinandersetzung am Leipziger Hauptbahnhof, die wiederum Linken zugeschrieben wurde. Unlängst wurde ein Mann verurteilt, der in dieser Situation ein Messer gezückt hatte – es handelt sich um einen stadtbekannten Leipziger Neonazi. Eine Klarstellung zu alledem fehlt im neuen Bericht, ein belastbares Werk hatte ich sowieso nicht erwartet.

Auch im fünften Jahr seiner Präsidentschaft ist es Gordian Meyer-Plath folglich nicht gelungen, die immer wieder versprochene „Analysefähigkeit“ des LfV unter Beweis zu stellen. So ist es nur konsequent, dass der Bericht kein Wort darüber verliert, warum das Amt die mutmaßlich rechtsterroristische „Gruppe Freital“ nicht auf dem Schirm hatte. Auf das angebliche „Frühwarnsystem“ ist nach wie vor kein Verlass, es ist desolater denn je.

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