Wer an das „Recht des Stärkeren“ glaubt, vergreift sich an den Schwächsten unserer Gesellschaft

Meine Rede bei der Aktuellen Debatte im Landtag auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Wohnungslose in Sachsen – Opfer von Kälte, Gewalt und staatlichem Desinteresse“

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Wohnungslose gehören zu den Schwächsten der Gesellschaft. Genau am Umgang mit ihnen zeigt sich doch, wie ernst wir den Schutz der Menschenwürde wirklich nehmen, wie solidarisch unsere Gesellschaft überhaupt noch ist und was wir bereit sind zu unternehmen, um niemanden aus dem öffentlichen Leben auszuschließen.

So klar ist die Sache aber oftmals nicht. Die repräsentative Mitte-Studie zeigt, dass in Deutschland fast jeder Fünfte meint, Wohnungslose seien arbeitsscheu, und fast ein Drittel will, dass bettelnde Obdachlose aus Fußgängerzonen entfernt werden. Auf längere Sicht zählen genau solche Ansichten zu den sehr hartnäckigen menschenfeindlichen Einstellungen in unserer Gesellschaft.

Diese Einstellungen stützen sich darauf, dass manche Menschen vom Recht des Stärkeren ausgehen und dass in unserer Gesellschaft oftmals wirklich nur der etwas zählt, der etwas hat, und demzufolge ein Obdachloser, der nichts hat, wertlos ist.

Es ist ein Glück, dass es Projekte und Initiativen gibt, die Wohnungslosen konkrete Hilfe anbieten. Ein Unglück ist es aber, dass teils subtile, teils offene Diskriminierung im Alltag dadurch nicht verschwindet und es nicht nur dabei bleibt, dass diskriminiert wird, denn zum Problem gehört auch die Gewalt gegen Wohnungslose.

Seit 1990 sind in Deutschland 40 Obdachlose rechtsmotiviert ermordet worden, 16 Obdachlose wurden zum Teil schwer verletzt. Ich möchte zwei Fälle erwähnen, und diese lagen vor 2015.

Der erste Fall spielt in der Leipziger Innenstadt. Dort schlief der 59-jährige Karl-Heinz Teichmann in der Nacht zum 23. August 2008 auf einer Parkbank. Ohne Anlass wurde er durch einen Anhänger der rechten Szene attackiert und erlitt schwere Kopfverletzungen. Teichmann erlag den Verletzungen wenige Tage später. Der 18-jährige Täter wurde wegen Mordes verurteilt. Ein mögliches politisches Tatmotiv spielte im Prozess keine Rolle. Dabei hatte der Verteidiger sogar einen diesbezüglichen Hintergrund eingeräumt. Bis heute wurde Karl-Heinz Teichmann nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannt.

Der zweite Fall spielt in Oschatz. Dort schlief der 50-jährige Andre K. in der Nacht zum 27. Mai 2011 im Wartehäuschen. Ohne Anlass wurde er durch fünf junge Männer, die zum Teil der rechten Szene angehören, attackiert und gequält. Andre K. erlag den Verletzungen wenige Tage später. Die Täter wurden wegen Totschlags verurteilt. Bis heute wurde Andre K. nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannt. Die Stadt Leipzig informierte übrigens die Familie des Verstorbenen nicht. Er wurde in einem namenlosen Sozialgrab beerdigt.

Das sind furchtbare Taten. Die Täter vergriffen sich an den Schwächsten unserer Gesellschaft. Die Täter glaubten an das Recht der Stärkeren.

Erlauben Sie mir auch eine aktuelle Bemerkung diesbezüglich: Wenn heute in Sachsen plötzlich Rechtsradikale ihr Herz für Wohnungslose entdecken, sofern sie „einheimisch“ sind, dann hat dieser Glaube sich überhaupt nicht gewandelt,

(Beifall bei den LINKEN)

sondern hier wird jetzt eine Gruppe, die schwach ist, gegen eine andere Gruppe, die schwach ist, ausgespielt.

(Beifall bei den LINKEN)

Bei allem, was wir tun: Dieser Logik dürfen wir niemals folgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

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