Was wir jetzt durch langes Nachbohren erfahren haben, könnte eine neue Spur im NSU-Komplex sein. Weitgehend im Dunkeln liegt bis heute, wie Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe an ihr umfangreiches Arsenal mit mehr als 20 Schusswaffen kamen. Doch schon Anfang der 2000er Jahre wussten Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) und Landeskriminalamt (LKA) in Sachsen, dass die rechte Szene Zugang zu tödlichen Waffen hat. Damals nämlich besorgte ausgerechnet ein V-Mann Schusswaffen.
Das ergibt sich aus der gestrigen Befragung des Zeugen Volker Lange im NSU-Ausschuss („Neonazistische Terrornetzwerke“) des Sächsischen Landtages. Lange, inzwischen Kripo-Chef in Dresden, war um das Jahr 2000 Referatsleiter im LfV und dort für die Suche nach dem „Trio“ zuständig, wenige Monate, bevor die Česká-Mordserie begann.
Quelle aus dem Ruder gelaufen?
Auf Fragen der LINKE-Abgeordneten bestätigte der Spitzenbeamte nun, dass ihm im Mai 2000 ein in der rechten Szene Ostsachsens aktiver Mann einen Koffer übergab, der mehrere scharfe Schusswaffen und Munition enthielt. Der Mann diente dem LfV als geheime „Quelle“ und war anscheinend aus dem Ruder gelaufen – denn den Angaben Langes zufolge habe es einen amtlichen Auftrag, Waffen zu besorgen, nicht gegeben. Vielmehr habe man die Waffen, nachdem sich die Quelle offenbart hatte, eingezogen und zum LKA gebracht.
Woher die Waffen ursprünglich kamen, wurde jedoch niemals aufgeklärt. Nach Angaben Langes sei er dazu vom LKA Sachsen, das die Ermittlungen führte, nicht einmal gefragt worden. Seiner Erinnerung zufolge habe das LfV womöglich eh keine weiteren Details gekannt – eine Behauptung, die noch zu beweisen wären.
Mögliche Bezüge zum „Trio“ wurden nicht geprüft
Brisant allemal: Der Waffenkoffer enthielt eine Pistole der Marke Česká und tauchte auf, kurz nachdem die von Lange mitverantwortete Operation „Terzett“ angerollt war, mit der das LfV das damals in Chemnitz untergetauchte „Trio“ finden wollte. Mögliche Querverbindungen seien jedoch nicht geprüft worden, so Lange, denn dafür habe es „keine Veranlassung“ gegeben.
Wir werden das einstweilen nicht bewerten, sondern der Sache weiter nachgehen. Der V-Mann mit dem Waffenkoffer wurde 2002 wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer geringen Bewährungsstrafe verurteilt. Weder LfV, noch LKA machten den Untersuchungsausschuss auf die dubiosen Vorgänge aufmerksam.