Mit den Urteilen im NSU-Prozess endet nach mehr als fünf Jahren ein wichtiges Kapitel in der juristischen Aufarbeitung der NSU-Verbrechen. Wichtig ist nicht das Strafmaß – sondern dass jetzt endlich die Schuld die Angeklagten festgestellt wurde. Die Urteilsbegründung hält zur Stunde noch an. Ein Schlussstrich ist das aber keinesfalls – denn die Aufklärung des Falles und seiner politischen Dimensionen ist noch lange nicht vorbei.
Viele BeobachterInnen des Prozesses, insbesondere aber auch Betroffene und Hinterbliebene der NSU-Opfer, haben sich vom Prozess ganz zurecht viel mehr erhofft: Endlich Klarheit, warum es trotz vieler Spuren nicht gelang, Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nach ihrem „Untertauchen“ zu fassen. Gewissheit darüber, was Behörden und insbesondere die Geheimdienste mit ihrem unsäglichen V-Mann-Unwesen wirklich über die Gruppe wusste, bevor sie im November 2011 aufflog und Akten im Reißwolf landeten. Und schließlich eine Aufdeckung des Unterstützernetzwerks, auf das die Rechtsterroristen offensichtlich angewiesen waren. Aber diese Hoffnungen wurden nicht erfüllt.
In dem Zusammenhang führt die Bundesanwaltschaft allerdings – fernab der Öffentlichkeit – Verfahren gegen weitere neun mutmaßliche Unterstützer und Gehilfen. Allein acht dieser Personen stammen aus Sachsen: Max-Florian B., Matthias D., Susann E., Pierre J., Hermann S., Thomas S., Mandy S. und Jan W. Gegen sie besteht der Verdacht, dem NSU im Raum Chemnitz und Zwickau u.a. Wohnungen vermittelt, Ausweise überlassen und Waffen beschafft zu haben. Das darf nicht ungesühnt bleiben – auch diese Beschuldigten müssen sich endlich vor Gericht verantworten! Hinzu kommt, dass meinen Informationen zufolge sich aus einem weiteren, gegen „Unbekannt“ geführten Verfahren der Bundesanwaltschaft Hinweise auf noch mehr mögliche Mitwisser im Freistaat ergeben.
Hier sind nach wie vor nicht nur Ermittlungsbehörden und Gerichte gefragt. Denn vieles, was wir heute über den NSU wissen, wäre unter den Tisch gefallen – gäbe es nicht engagierte VertreterInnen der Nebenklage und die Mitglieder der zahlreichen Untersuchungsausschüsse, gäbe es nicht investigative JournalistInnen und informative Recherchen antifaschistischer Initiativen. Was jedoch bis heute fehlt, ist ein Umdenken der politisch Verantwortlichen: Inzwischen entstanden neue rechtsterroristische Gruppen, Sachsen wurde von einer rassistischen Anschlags-Welle überzogen und bundesweit erkennen wir die Zeichen eines Rechtsrucks. Der NSU zeigt, worauf das hinausläuft – und was wir gemeinsam verhindern müssen.