Sachsen, Dezember 2016:
mehr als 220 rechte Straftaten

Weiterhin hohes Fallaufkommen • 15 Verurteilungen • 170 Verfahren eingestellt

 

Im Monat Dezember wurden im Freistaat Sachsen 223 rechtsmotivierte Straftaten begangen oder bekannt. Das ergab meine jüngste Landtags-Anfrage (Drucksache 6/7771). Zu den Fällen zählen auch zwölf Körperverletzungen mit mindestens elf Verletzten. Acht Taten richteten sich unmittelbar gegen Asylunterkünfte.

Das Jahr 2016 schloss damit überdurchschnittlich ab, wie der Vergleich zeigt: Im langjährigen Mittel werden in Sachsen rund 160 rechtsmotivierte Straftaten pro Monat gezählt, im bisherigen „Rekord“-Jahr 2015 war dieser Wert auf durchschnittlich 200 angestiegen. Abschließende Angaben für das Jahr 2016 liegen noch nicht vor, nach wie vor fließen sogenannte Nachmeldungen in die Statistik ein.

Ausgehend von der langfristigen Entwicklung ist eine Entspannung der Lage aktuell nicht zu erkennen. Das gilt auch für einzelne Deliktfelder wie Körperverletzungen, deren Zahl nicht nachlässt und sich ebenfalls auf dem hohen Niveau des Vorjahres mit zwölf bis dreizehn Fällen pro Monat bewegt. Gegenüber der Situation vor fünf Jahren hat sich das Fallaufkommen in diesem Bereich sogar verdreifacht.

 

Weitere Verurteilung wegen Heidenau

 

Derweil kam es im Laufe des Dezember 2016 an sächsischen Gerichten zu insgesamt 15 Verurteilungen wegen rechtsmotivierter Straftaten, wie eine weitere aktuelle Anfrage (Drucksache 6/7772) zeigt. Hauptsächlich ging es dabei um „Hasspostings“ in sozialen Netzwerken, die jeweils als Volksverhetzung oder als Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gewertet wurden. Eine Freiheitsstrafe wurden in keinem dieser Fälle verhangen.

Anders lief es in einem Fall, in dem die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und versuchter gefährlicher Körperverletzung ermitteln ließ: Der erwachsene Täter hatte sich am 22. August 2015 an den Ausschreitungen in Heidenau beteiligt und einen Gesteinsbrocken auf Polizisten geworfen. Der Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung.

 

Die meisten Taten werden nicht geahndet

 

Indes kommen die meisten Fälle nicht zur Anklage: In insgesamt 69 Fällen, in denen Tatverdächtige ermittelt werden konnten, wurden die zugrunde liegenden Ermittlungsverfahren im gleichen Zeitraum aus verschiedenen Gründen eingestellt. Eine Auswahl:

  • Nicht angeklagt werden nun zum Beispiel drei Männer, die verdächtigt wurden, im März 2016 in Oelsnitz mehrere Personen, die eine „Pro Asyl“-Demonstration vorbereiteten, angegriffen und verletzt zu haben.
  • Ebenfalls davon kommen drei Männer, die im Verdacht standen, sich am 28. Juni 2015 in Meißen an einem Brandanschlag auf eine noch unbewohnte Unterkunft für Asylsuchende in Meißen beteiligt zu haben. Im April vergangenen Jahres waren in dem Fall zwei Männer zu jeweils drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Medienberichten zufolge wurde nachher untersucht, ob es weitere Täter oder Anstifter gab.
  • Nicht weiter verfolgt werden zwei Männer, denen gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wurde. Sie sollen am 19. Oktober 2015 in Dresden Beihilfe beim Übergriff auf einen Journalisten geleistet haben. Im Hinblick auf die bisherige Einstellungspraxis ist es inzwischen übrigens unwahrscheinlich, dass die extrem rechten Ausschreitungen im Zuge des „Pegida-Geburtstags“ überhaupt juristisch aufgeklärt werden können.
  • Derweil können Neonazis weiterhin „legal“ im Stile einer Bürgerwehr patrouillieren: Fünf Männer, die im Oktober 2016 in Plauen auf eigene Faust auf „Sicherheitsstreife“ gegangen waren, verstießen dabei nach staatsanwaltschaflicher Einschätzung jedenfalls nicht gegen das Versammlungsgesetz. Die Beteiligten hatten Jacken der Partei „Der III. Weg“ getragen. Mindestens sechs solcher „Streifen“ gab es 2016, neben Plauen fanden sie auch in Chemnitz und Bautzen statt.
  • Im Zusammenhang mit dem Überfall auf Jugendliche im Dresdner Alaunpark im Juni 2015 sowie auf eine Asylunterkunft in Dresden-Stetzsch im August des gleichen Jahres wurde das Verfahren gegen einen Tatverdächtigen eingestellt. In dem Zusammenhang waren bereits mehrere Männer verurteilt worden, die unter anderem als Anhänger der mutmaßlichen kriminellen Vereinigung „Freien Kameradschaft Dresden“ bekannt sind. Zumindest am Überfall auf den „Lindenhof“ in Stetzsch soll eine Führungsperson der mutmaßlich rechtsterroristischen „Gruppe Freital“ mitgewirkt haben.

Daneben wurden 101 weitere Ermittlungsverfahren eingestellt, die „gegen Unbekannt“ geführt wurden, in denen also keine Tatverdächtigen ermittelt werden konnten. Zu den damit unaufgeklärten Fällen gehört auch der Angriff auf eine Asylunterkunft in Frohburg im Juli 2016.

 

Hintergründe

 

  • Worum es geht: Erfasst werden Straftaten aus dem Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) rechts, die im Freistaat Sachsen begangen oder im gegebenen Monat der Polizei bekannt wurden. Darunter sind auch Nachmeldungen: ältere Fälle, die erst später zur Anzeige gebracht oder erst im Laufe der Ermittlungen zugeordnet werden konnten. Da die Ermittlungen anhalten, sind die Werte vorläufig.
  • Oft gefragt: Was ist mit linken Straftaten? Nach denen frage ich auch. Die Angaben für den Monat Dezember 2016 können hier abgerufen werden.
  • Mehr erfahren: Nach rechten Straftaten frage ich kontinuierlich seit dem Jahr 2006. Dadurch ist ein langfristiger Vergleich möglich. Alle vorangegangenen Anfragen können in der Parlamentsdokumentation des Sächsischen Landtages recherchiert werden. Bequemer geht es damit.

 


 

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