In Sachsen sind in den vergangenen fünf Jahren mindestens 86 politisch motivierte Straftaten gegen Medien begangen worden, darunter mehr als zwei Dutzend Gewalttaten, die sich teils direkt gegen Journalistinnen und Journalisten richteten. Das ist das Ergebnis der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE zum Thema „Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten sowie deren Auswirkungen auf die Gewährleistung der Pressefreiheit in Sachsen“ (Drucksache 7/5868).
Endlich liegen über pressefeindliche Angriffe im Freistaat ausführliche Angaben vor. Sie zeigen deutlich, dass von „Einzelfällen“ keine Rede sein kann und sich das Problem ausweitet. Als die Erfassung 2016 begann, wurden sachsenweit elf Taten registriert. Im Jahr 2020 waren es, offenbar befeuert durch sogenannte Corona-Proteste, bereits 29. Besonders alarmierend: Ein Drittel aller Taten (27) sind Gewaltdelikte – in die Statistik gingen zahlreiche Körperverletzungen (21) mit mindestens 13 Verletzten ein.
Die häufigsten Tatorte sind Leipzig (26), Dresden (21) und Chemnitz (15). Große Bedeutung kommt dabei Mobilisierungen der extremen Rechten zu. So wurden allein am 1. September 2018 in Chemnitz im Zusammenhang mit einem sogenannten Trauermarsch der braunen Szene acht Taten erfasst. Wenig verwunderlich ist, dass sich bei den Tathintergründen eine klare Tendenz abzeichnet: Rund 45 Prozent aller Fälle gelten offiziell als rechtsmotiviert, 28 Prozent als linksmotiviert.
Etwa ein Fünftel der Taten kann nicht klar zugeordnet werden, vermutlich sind hier auch Vorfälle aus dem „Querdenker“-Bereich enthalten. Allerdings nicht alle: Überraschenderweise stammt kein einziger Eintrag vom 7. November 2020 in Leipzig, als im Zuge einer Großkundgebung dieses Spektrums zahlreiche Journalistinnen und Journalisten attackiert wurden. Damit klafft in der Statistik ein riesiges Loch.
Und es gibt noch mehr Diskrepanzen. Obwohl die Polizei eine hohe Aufklärungsquote vermeldet, ist Sachsen von einer konsequenten Ahndung weit entfernt. So wurden bislang zwölf Fälle durch ein Urteil abgeschlossen, aber zugleich mit 57 Prozent die meisten Verfahren wieder eingestellt. Heißt im Klartext: Dem Großteil der Täter droht nichts – und der effektive Schutz von Medienschaffenden gelingt bis heute nur unzureichend.
Das Innenministerium bestreitet sogar, dass Berichterstatter bei Corona-Protesten einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sind. Die Rede ist lediglich von „neuartigen gesellschaftlichen Gemengelagen“, die Schlussfolgerungen für zukünftige Einsätze erforderlich machen. Verwiesen wird etwa auf neue Schutzkonzepte bei Großeinsätzen und eine verstärkte Verankerung des Themas in der Aus- und Fortbildung der Polizei.
Diese Maßnahmen sind richtig und wichtig, kommen aber mehr als ein halbes Jahrzehnt zu spät. Die Häufung medienfeindlicher Angriffe begann bekanntlich mit Pegida. Seither werden aus dummen Worten wie „Lügenpresse“ immer wieder gefährliche Taten. Sie bedrohen nicht nur Journalistinnen und Journalisten, sondern die gesamte demokratische Öffentlichkeit und die Pressefreiheit in unserem Land.