In Sachsen werden weiterhin besonders viele antisemitische Straftaten begangen. So wurden allein im ersten Halbjahr 2021 im gesamten Freistaat 96 einschlägige Fälle bei der Polizei bekannt. Das ist das Ergebnis einer Detailauswertung meiner monatlichen Kleinen Anfragen zu diesem Thema (zuletzt: Drucksache 7/7343). Ein Blick auf die Ergebnisse:
Die aktuellen Daten sind vorläufig, weil Nachmeldungen fehlen, die erfahrungsgemäß erst verzögert in die Statistik eingehen. Aber die Entwicklung ist schon jetzt besonders alarmierend, wie der Vergleich zeigt: Für das gesamte Jahr 2020 wurden 173 Taten gemeldet – ein neuer, langjähriger Höchststand, nachdem die Fallzahlen vier Jahre in Folge gestiegen waren. Dieser Trend ist offensichtlich nicht gebrochen. Stattdessen droht bald schon wieder ein unrühmlicher Rekord.
Bei den einzelnen Fällen handelt es sich häufig um Volksverhetzungen, etwa durch Schmierereien und Parolen, oft aber auch mittels sogenannter Hasspostings im Internet. Zudem wurde eine Körperverletzung gemeldet. Die Zuordnung nach politischen Spektren fällt sehr deutlich aus, 80 Taten (rund 83 Prozent) gelten als rechtsmotiviert. Zehn Fälle sind nicht zuzuordnen, drei weitere sind religiös- und zwei linksmotiviert. Eine Tat wird einer „ausländischen Ideologie“ zugeschrieben.
Die Fälle verteilen sich auf alle Regionen, aber mit großen Unterschieden. So sind Leipzig (23), Dresden (16) und Chemnitz (13) obenauf, mehr als die Hälfte aller Taten entfällt auf das Gebiet der drei großen Städte. Auffällig: In Chemnitz wurden im ersten Halbjahr schon mehr Taten registriert als im gesamten Vorjahr. Am anderen Ende stehen die Landkreise Görlitz, Leipzig, Meißen und Nordsachen, dort wurden jeweils nur zwei Fälle bekannt. Zu bedenken ist, dass das Anzeigeverhalten einen Einfluss auf die Statistik hat. Womöglich ist die Aufmerksamkeit für die Gefahr des Antisemitismus nicht überall gleich stark ausgeprägt.
Zuletzt hatten die Generalstaatsanwaltschaft Dresden und das Landeskriminalamt einen gemeinsamen Leitfaden erarbeitet, „der die konsequente Bekämpfung des Antisemitismus im Freistaat Sachsen weiter verbessern soll“, wie im Frühjahr mitgeteilt worden war. Ausgerechnet bei der Strafverfolgung hapert es nämlich seit Jahren. Immerhin, im vergangenen Halbjahr fielen im Bereich sächsischer Staatsanwaltschaften 16 Urteile wegen judenfeindlicher Taten. Im gesamten Jahr 2020 hatte es nur 14 Verurteilungen gegeben. Angesichts der weiterhin hohen Fallzahlen
reicht der Verfolgungsdruck aber immer noch nicht aus. Bei Antisemitismus darf es keine Toleranz geben.