Der soeben vorgelegte Jahresbericht des sächsischen Verfassungsschutzes bestätigt erneut, was sowieso alle wissen: Der Rechtsextremismus ist und bleibt die größte Bedrohung für die Demokratie in Sachsen. Dass auf dem Papier das Personenpotenzial dieses Spektrums sinkt, liegt bloß daran, dass der AfD-„Flügel“ aktuell nicht beziffert werden darf.
Wie befürchtet gehen Teile der rechten Szene deutlich gestärkt aus der Pandemie-Zeit hervor, Stichwort: Freie Sachsen. Das LfV geht von rund 1.000 Anhängerinnen und Anhängern aus – und hält damit die Eigenangaben dieser Pseudopartei für glaubhaft. Doch hier hinkt die Analyse des Amtes: Richtigerweise sieht es in den Freien Sachsen das „Dach einer rechtsextremistischen Sammlungsbewegung“. Doch diese Bewegung steckt hinter einem – angeblich – „in seiner Gesamtheit nichtextremistische[n] Protestgeschehen““. Das passt nicht recht zusammen.
Ein eher peinliches Kapitel, das es bislang nicht gab, heißt „Pegida“. Darüber wird fast acht Jahre nach dem Start der Proteste erstmals informiert, nachdem die Einstufung so lange verschleppt worden war. Was jetzt drinsteht, hat fast nur noch historischen Wert – denn inzwischen scheint Pegida von selbst aufgegeben zu haben, neue Demonstrationen sind derzeit nicht geplant.
Immerhin: Der neue Bericht erscheint wieder einigermaßen pünktlich, nachdem die beiden Vorgänger-Ausgaben zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bereits hoffnungslos veraltet waren und sich das LfV Sachsen dadurch auch im Vergleich mit fast allen anderen Bundesländern als Spätwarnsystem blamierte.
Mit der anstehenden Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes soll einiges besser werden. Hier warne ich aber vor Schnellschüssen und falschen Versprechungen: Richtig ist es, die bestehenden Befugnisse der Behörde im Gesetz eindeutig festzuschreiben, nur so ist effektive Kontrolle möglich. Ich sehe aber nicht den geringsten Grund, die Befugnisse weiter auszudehnen, etwa indem man es dem LfV Sachsen erlaubt, künftig bereits über sogenannte Verdachtsfälle öffentlich zu berichten. Das hatte Innenminister Schuster in der vergangenen Woche angekündigt.
Klar: Wir erführen etwas mehr darüber, womit sich diese Behörde beschäftigt. Aber aus meiner Sicht – und nach aller Erfahrung insbesondere mit dem sächsischen Amt – überwiegt hier das Risiko, dass wir anstelle eines Frühwarnsystems eine Gerüchteschleuder bekommen: Ein Verdacht kann nämlich auch falsch sein. Die Aufgabe eines analysefähigen „Verfassungsschutzes“ wäre es, ihn zu ergründen – aber doch nicht, die Öffentlichkeit darüber rätseln zu lassen.
Und was beispielsweise die AfD betrifft, brauchen ich für deren Einordnung – der aktuelle Bericht unterstreicht das – überhaupt keinen Geheimdienst: Hier gibt es längst eindeutige Belege aus wissenschaftlicher Arbeit, journalistischer Recherche und zivilgesellschaftlicher Expertise.“