Antisemitismus in Sachsen:
Weiter viele judenfeindliche Straftaten

Im vergangenen Jahr wurden sachsenweit mindestens 90 antisemitische Delikte begangen. Darunter fallen insbesondere judenfeindliche Hassparolen, Volksverhetzung und Holocaustleugnung.

 

Die Zahl ist vorläufig und wird durch Nachmeldungen vermutlich noch deutlich steigen – einen Trendwechsel zeigt sie nicht an, liegt sie doch über dem langjährigen Durchschnitt. Nach den Werten, die bei der Polizei auflaufen, erkundige ich mich regelmäßig mit Parlamentsanfragen.

 

Zu wenig Verfolgungsdruck

 

In fast allen Fällen wird von einem rechten Tathintergrund ausgegangen. Das ergibt sich aus einem Detailvergleich der einzelnen Fälle mit der Statistik rechtsmotivierter Straftaten, die ich ebenfalls monatlich erfrage. Die in den vergangenen Jahren verzeichnete Entwicklung antisemitischer Delikte folgt denn auch der allgemeinen Zunahme des Fallaufkommens von rechts und einer zunehmenden Verlagerung brauner Propaganda in die sozialen Netzwerke.

Charakteristisch ist leider auch: Nur ein Bruchteil der Fälle wird juristisch geahndet. Die Zahl der Verurteilungen wegen antisemitischer Straftaten bewegte sich in den vergangenen Jahren regelmäßig in einem ausgesprochen niedrigen Bereich: Im Jahr 2014 waren gerade einmal sieben Urteile ergangen, 2015 waren es zehn, 2016 immerhin 20. Dennoch genügt der Verfolgungsdruck offensichtlich nicht.

 

Antisemitische Vorurteile sind verbreitet

 

Wie der „Sachsenmonitor“ zeigte, sind antisemitische Vorurteile im Freistaat keineswegs irrelevant: Dreizehn Prozent der Befragten stimmen demnach überwiegend oder voll der Aussage zu, dass Jüdinnen und Juden „einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich“ hätten und „nicht so recht zu uns“ passen würden. Bundesweit stimmen dem nur rund fünf Prozent zu.

Ein Viertel der Befragten in Sachsen meint zudem, Jüdinnen und Juden würden versuchen, „Vorteile daraus zu ziehen, dass sie während der Nazi-Zeit die Opfer gewesen sind.“ Alarmierend ist, dass insbesondere junge Menschen solchen Aussagen überdurchschnittlich häufig zustimmen.

 


* Quelle: Nach antisemitischen Straftaten, die im Freistaat begangen werden, frage ich seit dem Jahr 2004 jeden Monat beim sächsischen Innenministerium. Die Antworten können chronologisch hier abgerufen und, etwas umständlicher, aber weiter zurückreichend, in der offiziellen Parlamentsdokumentation EDAS recherchiert werden.

Für die Werte ab 2013 habe ich – über die Summe der monatsweisen Angaben hinaus – auch eine zunehmende Zahl von Nachmeldungen berücksichtigt, die teils erst sehr viel später eingingen. Ein Beispiel: Für das Jahr 2015, das nach amtlicher Zählung zunächst mit „nur“ 90 registrierten Delikten abgeschlossen wurde, ergaben sich im Laufe des Folgejahres durch Neubewertungen oder zusätzliche Erkenntnisse aus den Ermittlungen immerhin 30 Nachmeldungen. Das macht ein Drittel mehr an Fällen, als zunächst angenommen wurde. Für die Werte aus 2016 habe ich bereits Nachmeldungen berücksichtigt, die im Januar 2017 anfielen.

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