Sächsischen AnhängerInnen der sogenannten Reichsbürger-Szene werden 235 Straftaten zugerechnet, die im vergangenen Jahr begangen wurden. Das ergibt eine Statistik des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrums (PTAZ). Die Ergebnisse wurden zu meiner jüngsten Landtagsanfrage zum Thema vorgelegt (hier im Originaltext).
Kaum gesicherte Angaben
Die Angaben sind aufschlussreich, weil gesicherte Angaben über die Szene kaum zu haben sind. Zuletzt wurde die Anzahl amtsbekannter Reichsbürger noch einmal deutlich nach oben korrigiert – auf mehr als 1.300.
Noch vor einem Jahr war man nur von einem Drittel ausgegangen, und davor hatten sich Behörden für das Phänomen gar nicht interessiert.
Schwerpunkt: Landkreis Görlitz
Laut Polizei-Daten können die jetzt erstmals aufgeschlüsselten Taten 243 Tatverdächtigen zugeordnet werden. Und es zeichnen sich deutliche Hochburgen ab: Fast die Hälfte aller registrierten Taten entfällt auf die Landkreise Görlitz (43), die Stadt Dresden (27) sowie die Kreise Bautzen (22) und Zwickau (21).
Am stärksten belastet ist der Landkreis Görlitz mit 16,7 Taten pro 100.000 EinwohnerInnen. Das ist das Dreifache (!) des sachsenweiten Durchschnitts. Kein anderes Gebiet rangiert auch nur in der Nähe. Hier der sachsenweite Vergleich, bezogen auf die Zahl der EinwohnerInnen:
Viele Nötigungen, auch Gewalt
Die erfassten Straftaten entfallen auf 39 unterschiedliche Deliktarten, querfeldein durchs Strafgesetzbuch. Besonders häufig: Nötigungen (64), Beleidigungen (25) und Widerstand gegen Beamte (18). Hinzu kamen beispielsweise auch acht Körperverletzungen, sechs Verstöße gegen das Waffen-, drei Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und ein Hochverrat.
Brauchbare Vergleichswerte gibt es nicht, und das Dunkelfeld kennt niemand. Das PTAZ ist bei der Auswertung fast nur von „aufgeklärten“ Fällen ausgegangen, in denen mindestens ein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte. Davon sind übrigens mehr als Dreiviertel Männer.
„Unpolitische“ Taten?
Kurios ist, dass nach polizeilicher Bewertung nur rund ein Viertel der Taten als politisch motiviert gilt. Tatsächlich spielen zwar die meisten Fälle im Bereich der „Allgemeinkriminalität“. Aber beides schließt sich nicht aus. Anfang 2017 wurde die offizielle Statistik für politisch motivierte Kriminalität (PMK) sogar eigens für Reichsbürger-Straftaten erweitert.
Dadurch sollte zum Beispiel dokumentiert werden, in welchem Ausmaß Reichsbürger gegen Amtsträger, PolizistInnen etwa, vorgehen. Aber die meisten der 18 Fälle, in denen sächsische Reichsbürger „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ geübt haben sollen, fließen auch nicht in diese Statistik ein.
Neue Zahlen erst nächstes Jahr
Ein fortlaufendes Monitoring beabsichtigt das Innenministerium nicht. Erst im Frühjahr 2018 sollen neue Zahlen zusammengetragen werden. Klar ist dabei, dass sich das Reichsbürger-Phänomen aus der Perspektive des Strafrechts ohnehin nur unzureichend begreifen lässt.
Nicht vergessen werden darf aber: in Sachsen haben 68 dieser Typen Waffen. Legal.
Weitere Informationen zum Thema gibt’s in einer aktuellen Broschüre der Fraktion DIE LINKE. Das Heft kann kostenlos angefordert, runtergeladen oder gleich hier gelesen werden:
Datengrundlage für diesen Beitrag ist der Antworttext auf meine jüngste Kleine Anfrage, Drucksache 6/12298. Die Angaben verantwortet das Sächsische Innenministerium, sie können hier im Originaltext nachgelesen werden, inklusive Fallauflistung.