Die NPD verliert Mitglieder, die Konkurrenz-Gruppen Die Rechte und Der III. Weg wachsen langsam, aber stetig: Das Spektrum der extrem rechten Parteien steht in Sachsen vor einer Umgruppierung. Hier die wichtigsten Fakten:
NPD am Tiefpunkt
Die NPD, allseits bekannt, steht da wie ein gerupftes Huhn. Auf nur noch etwa 420 Mitglieder wurde die Größe des Sachsen-Verbandes Ende vergangenen Jahres geschätzt. Zum „aktiven Kern“ werden rund 100 Personen gezählt. Die jüngste Eigenangabe der Partei war zuletzt, unmittelbar vor dem glimpflichen Urteil im Verbotsprozess, mit 450 Mitgliedern geringfügig höher ausgefallen.
So oder so hat die Partei mehrere Jahre hintereinander personell und strukturell abgebaut – ein Trend, der nicht erst mit dem Prozess einsetzte. Zuletzt aber, so die amtliche Bewertung, sei ein „Tiefpunkt“ erreicht worden: Die Partei verfüge im Freistaat über „kaum noch über aktive Strukturen“. Ausnahmen seien Dresden, Meißen und die Sächsische Schweiz. Der Rest wirke „lethargisch“ und vermittle „das Bild einer desolaten Situation“. Illustrieren lässt sich das beispielsweise anhand der Entwicklung des Kreisverbandes Leipzig, einst einer der bedeutendsten Ableger der Partei:
„Im Februar 2016 wurde der Vorsitzende dieser NPD-Struktur seines Amtes enthoben. Dies geschah vor dem Hintergrund einer positiven Bezugnahme der Leipziger NPD auf Twitter zu einem Landfriedensbruch durch Rechtsextremisten im Januar 2016 im Leipziger Stadtteil Connewitz und der Weigerung, dem Landesvorstand Zugang zu Twitter- und Facebook-Konten dieser NPD-Struktur zu verschaffen. Nachdem aus anderen Gründen auch keine Delegierten aus Leipzig zum Landesparteitag im März zugelassen wurden, erklärte die Leipziger NPD, dass ‚alle aktiven Mitglieder‘ ihre Mitgliedschaft gekündigt haben sollen. Damit verlor die NPD in Leipzig auch ihr einziges Stadtratsmandat. Seit diesem Zeitpunkt kann diese unter Notverwaltung stehende NPD-Struktur als inaktiv eingeschätzt werden.“
Zum Kondolieren zu früh
Auch beim Nachwuchs der Jungen Nationaldemokraten wird ein „deutlicher Strukturrückgang“ verzeichnet: Mehrere „Stützpunkte“ der JN stellten ihre Aktivitäten im Verlaufe des vergangenen Jahres faktisch ein. Das Mitgliederpotential habe darunter gelitten, Zahlen nannten zuletzt jedoch weder das Innenministerium, noch die JN. In den Vorjahren war die Mitgliederzahl – entgegen der Entwicklung der Mutterpartei – auf bis zu 110 angestiegen.
Einen Grund, das Gespann NPD/JN vorzeitig abzuschreiben, gibt es gleichwohl nicht. Gerade die für sie erfolgreiche Entwicklung in Sachsen, die ab 2004 in den Landtag führte, bescherte der Partei einen zweiten Frühling. Aber in den längsten Phasen ihrer Geschichte, die nun schon mehr als ein halbes Jahrhundert währt, fristete sie diesseits und jenseits der Parlamente ein Schattendasein. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es der NPD unter bestimmten Umständen gelingen kann, aus diesem Schatten herauszutreten. Im Moment ist sie jedoch nicht mehr die führende Kraft im „nationalen Widerstand“, als die sie sich gern selbst illustriert.
Freilich ist die Gefahr, die von Parteien wie der NPD und ihren Anhängern ausgeht, nicht bloß an ihrer nominellen Stärke – oder eben: Schwäche – festzumachen. Aber angesichts der Entwicklung wirken aktuelle Bestrebungen, Hand am Grundgesetz anzulegen, um eine Partei von staatlicher Finanzierung abzuschneiden, wie ein Sturm im Wasserglas. Wir sollten unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, was im Schatten der NPD passiert.
Moderates Wachstum bei „Die Rechte“
Denn die Partei hat längst Mitbewerber bekommen. Da ist zunächst Die Rechte, sie unterhält in Sachsen einen Landesverband und zwei Gebietsverbände, Ost- und Westsachsen. Auch nach mehreren Jahren des Strukturaufbaus kommt die „Die Rechte“ nach Angaben des Innenministeriums auf nur etwa 30 Mitglieder. Das Wachstum der Vorjahre war moderat, von einer flächendeckenden Präsenz ist die Partei im Freistaat noch weit entfernt. Etwa ein Drittel der Anhängerschaft soll „einen Vorlauf als Mitglied oder Unterstützer der NPD“ haben, schätzt das Innenministerium. Vom Abschmelzen des bisherigen Platzhirsches profitiert die Truppe um Alexander Kurth also nur in ganz geringem Umfang.
Er wiederum „war im Jahr 2016 überwiegend außerhalb seiner Partei aktiv“, vor allem mit dem Bündnis „Thügida/Wir lieben Sachsen“. Knapp 20 entsprechende Veranstaltungen gab es im vergangenen Jahr im Freistaat. Inzwischen ist aus diesem Bündnis ein – bereits als rechtsextremistisch eingestufter – Verein geworden. Interessant: „Ein ehemaliger sächsischer NPD-Funktionär, welcher in der Vergangenheit maßgeblich am Aufbau des ‚Freundeskreises Udo VOIGT‘ beteiligt war, wirkte bei der Gründung dieses Vereins organisatorisch mit.“ Diese kleine Desertion könnte Auswirkungen haben auf den künftigen Versuch, die Kräfteverhältnisse innerhalb der NPD zu verschieben.
Ambitionierter Parteiaufbau bei „Der III. Weg“
Schneller als Kurth und Co. gelingt der Partei Der III. Weg die Ausbreitung, inzwischen rund 60 Mitglieder soll die Partei in Sachsen haben. Seit geraumer Zeit baut sie im Vogtlandkreis, wohl mit einiger Unterstützung aus Bayern, einen regelrechten Modellverband auf. Zuletzt vermeldete sie, in Plauen das „erste Partei- und Bürgerbüro“ eröffnet zu haben.
Daneben existiert ein „Stützpunkt Mittelsachsen/Erzgebirge“, Personen aus der rechten Szene im Landkreis Leipzig schlossen sich dem überregional aktiven „Stützpunkt Mittelland“ an. Augenscheinlich beabsichtigt „Der III. Weg“, weiter zu expandieren. Strukturausweitungen sind zu erwarten in den Landkreisen Zwickau, Bautzen, Görlitz und der Stadt Dresden. Wiederholt von sich reden machte die Partei in mehreren Orten mit Bürgerwehr-artigen „Nationalen Streifen“.
Für den Hinterkopf
Sowohl bei „Die Rechte“, als auch bei „Der III. Weg“ wird anhaltend geprüft, inwieweit diese Vereinigungen überhaupt als Parteien anzusehen sind. Das macht einen großen Unterschied – für den Fall eines Verbots.
Mehr zum Thema ergibt sich aus meinen jüngsten Landtaganfragen zur NPD (Drucksache 6/7851), JN (6/7845), Die RECHTE (6/7860, und Der III. Weg (6/7858). Angaben zu entsprechenden Strukturen in den einzelnen Landkreisen und den Kreisfreien Städten sind im Antworttext zu unserer Großen Anfrage verzeichnet.