Im Jahr 2016 waren 32 sächsische Bands und „Liedermacher“ aktiv, die als rechtsextrem eingestuft sind. Das ergab meine jüngste Anfrage zum Thema (Drucksache 6/7856).
Mitgezählt sind Musikprojekte, die im vergangenen Jahr Auftritte hatten oder Tonträger herausgebracht haben. Die Zahl an Musikgruppen in diesem Spektrum erreichte damit zuletzt ein Allzeithoch. Selbst in trübsten Bonehead-Zeiten gab es nicht so viele einschlägige Interpreten.
Knapp unter dem Vorjahresniveau und unter dem langjährigen Schnitt lagen dagegen die mindestens 23 durchgeführten Konzerte. Deren Zahl hatte nach amtlicher Zählung in den Jahren 2013 und 2014 einen Tiefststand erreicht, sich nun aber wieder stabilisiert. Regelmäßig einberechnet werden seit zwei Jahren auch „Liederabende“, deren Bedeutung wohl auch deswegen ansteigt, weil sie logistisch weit unkomplizierter durchzuführen sind.
Während das musikalische Veranstaltungsangebot schwankt, gilt das nicht für die Nachfrage – sie steigt vielmehr, die durchschnittlichen Teilnehmerzahlen bei Konzerten geht seit mehreren Jahren deutlich nach oben. Angesichts der nunmehr besonders hohen Zahl an Interpreten ist abzusehen, dass die Veranstaltungsdichte künftig nachziehen wird. Was das für die überregional organisierte rechte Szene bedeutet, beleuchtet der MDR in einer aktuellen Dokumentation am Beispiel Thüringens (hier direkt zum Video).
Rechte Mucke boomt wieder
Gerade die Herauslösung aus der subkulturellen Nische und die Diversifizierung heute gefragter Stilrichtungen dürfte die hohe Zahl und das steigende Interesse an Bands und „Liedermachern“ zum Teil erklären. Hinzu kommen weitere, recht sachsenspezifische Faktoren: Als Produzenten stehen im Freistaat mehrere Tonträger-Labels zur Verfügung, jeweils drei waren es in den vergangenen Jahren, und sie professionalisieren sich im Laufe der Zeit. Zudem bedeuten Live-Auftritte für die Szene hierzulande kaum mehr ein Risiko durch die Etablierung legalisierter Konzertstätten, allen voran der „Alte Gasthof“ im nordsächsischen Staupitz.
Früher griff ein sogenannter Konzerterlass, der helfen sollte, eindeutige Neonazi-Konzerte zu untersagen und zur Not durch die Polizei aufzulösen. Aber im vergangenen Jahr geschah das kein einziges Mal. Solche Veranstaltungen dürfen heute – wenn auch unter Auflagen – weithin unbehelligt stattfinden. Wie in den Vorjahren behält der Freistaat damit seine herausragende Bedeutung als Umschlagplatz für braune Musik. Dabei behilflich sind derzeit elf sächsische, zum Teil auch bundesweit bedeutsame und kommerziell „erfolgreiche“ Vertriebsunternehmen, die hinter insgesamt 13 Versänden stehen. Zwar sank zuletzt die Zahl klassischer Szeneläden, dafür steigt die Bedeutung des Online-Geschäfts. (Es gibt sogar einen Markt für Raubkopien.)
Aus der Szene, für die Szene
Wie groß die Umsätze sind, die in diesem Bereich erzielt werden, und welche Gewinne am Ende in die rechte Szene zurückfließen, konnte oder wollte Sachsens Innenministerium bisher nicht beantworten. Jedoch wurde längst Verdacht bestätigt, dass hier eine Schattenwirtschaft floriert: So seien „Einzelfälle bekannt“, hieß es schon vor drei Jahren, „in denen der Verdacht bestand oder besteht, dass aus dem Veranstaltungsbetrieb und anderen Geschäften oder Gewerben mit Rechtsextremismusbezug erzielte Einkünfte nicht ordnungsgemäß deklariert bzw. versteuert werden.“
Meist stünden diese Fälle „im Zusammenhang mit Konzertveranstaltungen“. Mithin kam es durch Finanzämter zu Nachforderungen in Größenordnungen von bis zu 43.000 Euro. Weiteres könne aufgrund des Steuergeheimnisses nicht mitgeteilt werden. Gut möglich jedoch, dass einzelne Szeneunternehmer im sechsstelligen Bereich abschließen – jedes Jahr.
Übrigens:
Die Hool-Band „Kategorie C“ wird in Sachsen erst seit zwei Jahren als „rechtsextremistisch“ eingestuft. Das von Gordian Meyer-Plath geführte Landesamt für Verfassungsschutz sah sich bis dahin nicht zuständig. Das änderte sich, nachdem ich das Innenministerium mit gegenteiligen Ansichten konfrontierte – unter anderem denen eines Herrn Meyer-Plath.