Keine Trendwende, 21 Verurteilungen, über 200 Verfahren eingestellt
Im Monat Januar wurden im Freistaat Sachsen 271 rechtsmotivierte Straftaten begangen oder bekannt. Das ergab meine jüngste Landtags-Anfrage (Drucksache 6/8341). Zu den Fällen zählen 15 Körperverletzungen mit 20 Verletzten, sechs davon schwer. Allen Taten können bereits 129 Tatverdächtige zugeordnet werden.
In die Statistik eingeflossen ist unter anderem ein als fremdenfeindlich bewerteter Brandanschlag auf eine Asylunterkunft in Wurzen (Landkreis Leipzig), begangen am 15. Januar.
Fälle in Dresden und Bautzen nachträglich aufgenommen
Die Einordnungen der Fälle sind freilich vorläufig und beinhalten, wie üblich, auch zahlreiche Nachmeldungen für vorangegangene Zeiträume.
- Nachträglich in die Statistik aufgenommen wurde etwa ein Landfriedensbruch beim Stadtfest in Dresden am 21. August vergangenen Jahres, bei dem allein acht Personen verletzt wurden. Dazu hatte die Polizei zunächst vermeldet, dass „Nordafrikaner untereinander in Streit geraten“ seien. Wie inzwischen klar ist, handelte es sich um einen rassistisch motivierten Überfall im Stile einer „Bürgerwehr“. Ausgegangen war er offenbar von Anhängern der Freien Kameradschaft Dresden, gegen die inzwischen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird.
- Neuerdings werden weitere Straftaten, die Mitte September bei den Ausschreitungen in Bautzen begangen wurden, als rechtsmotiviert eingestuft, darunter eine Körperverletzung.
- Eingegangen in die Statistik ist – nach mehreren Monaten – nun auch der Anschlag auf eine Moschee in Dresden am 26. September. Dem Hauptbeschuldigten wird die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat vorgeworfen, außerdem wird hier wegen versuchten Mordes ermittelt.
Anhand der im Januar gemeldeten Zahlen ist eine Entspannung immer noch nicht auszumachen, das Fallaufkommen ist weiter überdurchschnittlich hoch. Zum Vergleich: Im langjährigen Mittel werden in Sachsen rund 160 rechtsmotivierte Straftaten pro Monat gezählt. Im bisherigen „Rekord“-Jahr 2015 war dieser Wert auf durchschnittlich 200 angestiegen.
Einige Verurteilungen…
Ebenfalls im Laufe des Januar kam es in Sachsen zu 21 Verurteilungen wegen rechtsmotivierter Straftaten (Drucksache 6/8342). Zwei Beispiele:
- Unter den nunmehr mit Freiheitsstrafen geahndeten Taten ist der Brandanschlag auf ein ehemaliges Schulgebäude in Dresden-Prohlis am 7. Oktober 2015, wobei die drei Täter eine Nutzung als Asylunterkunft verhindern wollten. In diesem Zusammenhang wurde zudem eine Frau zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, die vorab einem der Täter per SMS zu dem Brandanschlag geraten hatte.
- Wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde eine Rednerin, die am 2. November 2015 bei „Legida“ in Leipzig aufgetreten war und Asylsuchende beschimpft hatte.
…und viele eingestellte Verfahren
Den Verurteilungen stehen im gleichen Zeitraum 76 Ermittlungsverfahren gegen bekannte Tatverdächtige entgegen, die dadurch als „aufgeklärt“ gelten, aber aus verschiedenen Gründen eingestellt wurden und nicht zur Anklage gebracht werden.
- Glimpflich davon kommen beispielsweise drei Verdächtige, die Anfang 2016 einen Feuerlöscher in einer Asylunterkunft in Böhlen entleert und danach gegen die Eingangstür geschleudert haben sollen. Dieselbe Unterkunft war Mitte 2015 zweimal mit Stahlkugeln beschossen worden, die Ermittlungen dazu sind schon länger ergebnislos geschlossen.
- Nicht weiter verfolgt wird ferner ein Mann, der Anfang November vergangenen Jahres aus dem Raum Chemnitz heraus einen Brief an das Landesamt für Verfassungsschutz gesendet und darin mehrere Hakenkreuze sowie die Grußformel „Heil Hitler“ verwendet haben soll.
Ermittlungen ohne Ergebnisse
Als „ungelöst“ zu den Akten gelegt wurden im Januar weitere 133 Ermittlungsverfahren, in denen keine Verdächtige ermittelt werden konnten.
- Darunter sind mehrere Angriffe auf Asylunterkünfte – etwa das gewaltsame Eindringen in eine solche Einrichtung in Leipzig am 18. März 2016, ein versuchter Brandansachlag in Aue am 30. Mai, ein Steinwurf in Hainichen am 28. August sowie wiederholte Steinwürfe auf eine durch Asylsuchende genutzte Wohnung in Zwickau am 4. und 11. September.
- Die Ermittlungen zu einem Sprengstoffanschlag auf eine Asylunterkunft in Freiberg am 13. Februar 2015 waren kürzlich wiederaufgenommen worden, wurden nun aber ein zweites Mal erfolglos zu den Akten gelegt.
- Folgenlos bleibt schließlich auch die augenscheinlich gezielte und mehrfache Beschädigung einer Kunstinstallation in Zwickau, die im November aufgestellt wurde und an die Opfer des NSU erinnern sollte.
Hintergründe
- Selbst nachlesen: Antworten auf die Kleinen Anfragen Straftaten im Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ und Juristische Folgen von Straftaten im Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“
- Worum es geht: Erfasst werden Straftaten aus dem Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) rechts, die im Freistaat Sachsen begangen oder im gegebenen Monat der Polizei bekannt wurden. Darunter sind auch Nachmeldungen: ältere Fälle, die erst später zur Anzeige gebracht oder erst im Laufe der Ermittlungen zugeordnet werden konnten. Da die Ermittlungen anhalten, sind die Werte vorläufig.
- Oft gefragt: Was ist mit linken Straftaten? Nach denen frage ich auch. Die Angaben für den Monat Januar 2017 können hier abgerufen werden.
- Mehr erfahren: Nach rechten Straftaten frage ich kontinuierlich seit dem Jahr 2006. Dadurch ist ein langfristiger Vergleich möglich. Alle vorangegangenen Anfragen können in der Parlamentsdokumentation des Sächsischen Landtages recherchiert werden. Bequemer geht es damit.