Auf einige Dinge ist in Sachsen Verlass: Der Innenminister mag wechseln, aber der Verfassungsschutz-Bericht ist inhaltlich so dürftig wie eh und je. Wenn der Geheimdienst die Gefahr sieht, dass es der extremen Rechten gelingen könnte, ihre Positionen „in allgemeine gesellschaftliche Debatten einzubringen und als legitim darzustellen“, hat die Behörde offenbar jahrelang gepennt – denn der Rechtsruck ist schon in vollem Gange, gerade in Sachsen.
Unfreiwillig komisch ist, dass der Bericht nebenher „zivilgesellschaftlichen Widerstand“ für nötig erachtet – aber die wenigen, die ihn leisten, schnell mal einem angeblich „linksextremistischen“ Antifaschismus zuschlägt.
Nach wie vor dürftig sind die Erkenntnisse zur wachsenden Reichsbürger-Szene: Dazu bietet der Bericht kaum Neues. Und nach anderthalb Jahren der Beobachtung ist es offensichtlich immer noch nicht gelungen, die Organisations-Struktur dieser Szene aufzuhellen – blamabel! Im zugehörigen Mini-Kapitel werden dann auch zwei Gruppen benannt, die im Freistaat gar keine Strukturen haben. Skurril ist die völlig unbegründete Einschätzung, dass das Straftatenniveau der Reichsbürger-Szene auf „niedrigem“ Niveau liege – ein Witz!
Offenbar soll das Problem, dessen man nicht Herr wird, kleingerechnet werden. Dem entspricht, dass die Reichsbürger auch sorgsam von „Rechtsextremisten“ getrennt werden – obwohl sich in der Regel wohl nur solche Leute für den Reichs-Quatsch begeistern können.
Interessant ist auch im aktuellen Bericht, was nicht drin steht. Ein großer Teil der „Neuen Rechten“, die sich auf Vordenker des Faschismus beruft, und Front-Organisationen wie der in Sachsen ansässige Verein „Ein Prozent“ bleiben außen vor. Nach wie vor kein Thema sind damit eng verwobene rechte Burschenschaften.
Dabei hätte es geholfen, einfach das Wissenschaftsministerium zu fragen: Denn auf meine Anfrage nach extrem rechten Vorfällen an sächsischen Hochschulen teilte Ministerin Stange mit, in Dresden könne die „Identitäre Bewegung“ auf „die Logistik einer Studentenverbindung zurückgreifen.“
Der „Verfassungsschutz“ will ein Frühwarnsystem sein, aber tatsächlich hinkt er gesellschaftlichen Entwicklungen nach – im besten Fall. Im schlechtesten Fall blendet er sie eben aus. Neu ist daran nur so viel: Anders, als in den Vorjahren, blieb der Innenminister der Vorstellung gleich ganz fern. Er spendierte dem Lücken-Bericht des krisengeschüttelten Amtes nicht mal ein Vorwort.