Der neue Verfassungsschutzbericht Sachsen liegt vor. Die Kernbotschaft ist in etwa die gleiche wie in den Vorjahren: Die extreme Rechte ist in Sachsen deutlich im Aufwind, speziell die Neonazi-Szene floriert. Sie kann hier auf etliche Immobilien zurückgreifen, die ihr ein „zunehmendes Aktivitätsniveau“ ermöglichen. Sie bedient sich harmlos daherkommender Vorfeldvereine oder gründet sie gleich selbst. Alarmierend vor allem: Das Gewaltpotenzial wächst, Teile der Szene bereiten sich durch „Kampfsport“ gezielt auf körperliche Auseinandersetzungen vor. Auch im Hinblick auf die Wahlkämpfe in diesem Jahr rechnet die Behörde mit Übergriffen.
Das ist äußerst bedenklich – aber überhaupt nicht neu, sondern leider ein langfristiger Trend. Was der sächsische Geheimdienst dazu auf rund 300 Seiten auswalzt, ist analytisch genauso dürre und unnütz wie in den Jahren zuvor. Nach Ursachen fragt das LfV wohlweislich kaum. Zu ihnen gehört nämlich, dass die Staatsregierung trotz der bekannten und gefährlichen Tendenzen bis heute kein Gegenkonzept vorgelegt hat. So ist die jüngste Ankündigung des Ministerpräsidenten Kretschmer, man wolle „rechtsextreme Netzwerke zerschlagen“, folgenlos verpufft.
Dabei gibt es genug Ansatzpunkte, einzuschreiten – etwa gegen die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ als einer der „expansivsten rechtsextremistischen Strukturen in Sachsen“. Sorge bereiten sollte auch, dass im vergangenen Jahr mit „Revolution Chemnitz“ erneut eine mutmaßlich rechtsterroristische Vereinigung entstanden ist. Doch an ihrer Aufdeckung hatte das LfV Sachsen offenbar keinen Anteil. Richtig liegt das LfV, wenn es u.a. ausgehend von der Eskalation in Chemnitz konstatiert, dass die extreme Rechte erheblichen Einfluss auf „allgemeine gesellschaftliche Diskussionen und politische Prozesse“ nehmen kann. Die AfD als einen zentralen Akteur benennt die Behörde nicht.
Aufhorchen lässt, dass nach Kenntnis des LfV nach Ende des NSU-Prozesses zwei Verurteilte (wieder) an Szeneveranstaltungen in Sachsen teilnehmen: Ralf Wohlleben und André Eminger. Beide werden in der Szene als „Helden“ verehrt.
Nach wie vor überhaupt nicht beachtet wird das Spektrum der „Neuen Rechten“, etwa die formal in Sachsen beheimatete Initiative „Ein Prozent“ sowie Burschenschaften, die mit ihr und der „Identitären Bewegung“ verwoben sind. Das ist unverständlich und inkonsequent: Im Verfassungsschutz-Gutachten zum „Prüffall AfD“, das zum Jahresanfang durch die Presse ging, war „Ein Prozent“ dem „Übergangsbereich zwischen neurechten und rechtsextremistischen Spektren“ zugeordnet worden. Im gleichen Bericht wurde namentlich auf die in Dresden ansässige Burschenschaft „Salamandria“ hingewiesen.