Bei der sächsischen Polizei kam es in den vergangenen Jahren zu weitaus mehr Vorkommnissen, die offiziell als „Verdachtsfälle mit Bezug zum Rechtsextremismus“ gewertet werden, als bislang bekannt war. Das zeigt meine aktuelle Kleine Anfrage (Drucksache 7/4251) zum Thema. Demnach wurden seit 2014 weitere 20 einschlägige Vorfälle bekannt, allein sechs davon im aktuellen Jahr. Insgesamt waren daran 23 Beamtinnen und Beamte sowie Tarifbeschäftigte beteiligt. Unterm Strich stehen damit inzwischen sogar 37 Fälle im Raum.
Vor einigen Monaten hatte ich mich schon einmal zu diesem Thema erkundigt (Drucksache 7/946), daraufhin waren erstmals Zahlen öffentlich gemacht worden – zunächst war ,nur‘ von 17 Fällen die Rede. Die jetzt mitgeteilten Fälle sind damit offenbar nicht identisch und kommen oben drauf. Beunruhigend: Offenbar hat das zuständige Innenministerium immer noch keinen vollständigen Überblick, obwohl über das Thema schon länger debattiert wird. Der erst im Oktober vorgestellte Bundes-Lagebericht „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“ führte für Sachsen bereits 28 Fälle in Sicherheitsbehörden auf, eingeschlossen das Landesamt für Verfassungsschutz. Schon anhand dieser wohl zu niedrig angesetzten Zahl landete der Freistaat im bundesweiten Vergleich auf einem unrühmlichen fünften Platz.
Wie sich jetzt zeigt, könnte es in Wirklichkeit noch viel schlechter stehen. Wir haben es mit mehr als nur einigen „Einzelfällen“ zu tun!
Ausgerechnet zu Vorfällen beim Geheimdienst verweigert mir Innenminister Roland Wöller, den der Ministerpräsident noch immer nicht entlassen hat, nun eine öffentliche Antwort: „Zu solchen Fragen nimmt die Staatsregierung grundsätzlich nicht öffentlich Stellung“, heißt es lapidar. Was die Polizei betrifft, sind vier der fünf Direktionen betroffen, zudem die Bereitschaftspolizei und das Landeskriminalamt. Die Palette reicht von verfänglichen Äußerungen in sozialen Netzwerken und rassistischen Sprüchen über den persönlichen „Kontakt zu polizeilich erfasstem Straftäter“ und das frühere Mitführen einer Reichskriegsflagge bis hin zu einer mutmaßlichen Gewaltdrohung gegenüber AusländerInnen. In einem Fall steht sogar der Verdacht einer seit 2019 anhaltenden „Unterstützung rechtsextremer Organisationen“ im Raum.
In fast allen der 20 „neuen“ Fälle wurden Disziplinarverfahren eingeleitet, die überwiegend noch laufen. Es kam bislang zu drei vorläufigen Dienstenthebungen und zu vier Entlassungen bzw. Beendigungen des Arbeitsverhältnisses. Fünf Personen wurde das Führen der Dienstgeschäfte untersagt. Das gilt auch für einen Beamten des LKA, der den „Namen einer rechtsextremistischen Person als Deckname“ verwendet haben soll. Hier handelt es sich offenbar um jenen SEK-Angehörigen, der sich selbst den Namen des NSU-Mörders Uwe Böhnhardt verliehen hatte.