Trotz der Corona-Pandemie fanden 2020 in Sachsen erneut zahlreiche Neonazi-Konzerte und Auftritte extrem rechter „Liedermacher“ statt. Das geht aus der Antwort auf meine neuste Kleine Anfrage hervor (Drucksache 7/4956). Demnach fanden mindestens 19 einschlägige Musikveranstaltungen statt, darunter neun Live-Konzerte, sechs sogenannte Liederabende sowie einige weitere politische Events mit musikalischer Begleitung. Dabei traten mindestens zwei Dutzend unterschiedliche Bands und Interpreten auf.
Die Werte sind vorläufig und als eine Untergrenze zu verstehen, denn „es liegen Erkenntnisse vor, die aus Gründen der Geheimhaltung nicht mitgeteilt werden können“, wie das Innenministerium mir regelmäßig mitteilt. Dennoch ist die Gesamtzahl stark rückläufig: So hatte es 2019 noch um die 50 Konzerte und „Liederabende“ gegeben. Eine ähnliche Zahl wurde auch im Verfassungsschutzbericht verzeichnet. Meinen Daten zufolge war damit sogar ein Rekordwert erreicht worden – der jüngste Rückgang ist daher zu begrüßen. Allerdings ist er kein Ergebnis eines staatlichen Einschreitens, sondern eine vermutlich nur vorübergehende Folge der Pandemie-Eindämmung.
So wurde eine größere Musikveranstaltung, die Mitte März im Vogtlandkreis stattfinden sollte, nach dem Infektionsschutzgesetz verboten. An Hygieneauflagen scheiterte offenbar auch eine geplante und dann mehrfach verschobene Neuauflage des berüchtigten „Schild und Schwert“-Festivals in Ostritz (Landkreis Görlitz). Im Oktober schließlich löste die Polizei einen „Liederabend“ in Gohrisch (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) auf. Andere Veranstaltungen konnten jedoch unbehelligt stattfinden, die Zahl der Teilnehmenden lag dabei mindestens sieben Mal im dreistelligen Bereich. Häufigster Veranstaltungsort war eine Konzertlocation im nordsächsischen Staupitz, ein etablierter Szene-Hotspot. Dort gab es zuletzt fünf größere Konzerte, in den vorangegangenen Jahren waren es jeweils zehn gewesen.
Von einer nachhaltigen Schwächung der rechten Szene, für die Konzerte und insbesondere der klassische „Rechtsrock“ ein wichtiges Propagandamittel und eine bedeutsame Einnahmequelle sind, gehe ich derzeit nicht aus. Dafür spricht auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage (Drucksache 7/4987). Demnach waren im vergangenen Jahr insgesamt 22 extrem rechte Bands und „Liedermacher“ aktiv, die in Sachsen beheimatet sind. Das ist zwar ein leichter Rückgang im Vergleich zum Jahr 2019, womöglich auch aufgrund weggebrochener Auftrittsmöglichkeiten. Zugleich wurden aber etliche neue Alben produziert. Die Vermarktung läuft ungebrochen weiter – das Innenministerium listet aktuell neun „rechtsextremistische Vertriebsunternehmen“, die vom Freistaat aus operieren.