Die heute vorgelegte Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt auf den ersten Blick eine erfreuliche Entwicklung: 2020 wurden sachsenweit 272.588 Taten registriert – das sind nur wenige mehr als im Jahr zuvor. Doch der zweite Blick macht sofort klar, dass das überhaupt kein Grund zur Beruhigung ist und kein Erfolg, den sich der entlassungsreife Pannen-Innenminister Wöller anheften kann. Die besonderen Corona-Umstände führten wider Erwarten auch nicht zu einem Einbruch der Fallzahlen. Einen Grund, sich zurückzulehnen, gibt es nicht.
Einzelne Sektoren sind in dieser Phase sogar gewachsen, das Kriminalitätsgeschehen hat sich also verlagert. Besorgniserregend ist unter anderem die Zunahme von Gewaltfällen im häuslichen Umfeld, hier haben sich frühzeitig geäußerte Befürchtungen leider bewahrheitet. Deutlich zugenommen hat zudem die Zahl der bekanntgewordenen Sexualstraftaten. In diesem Bereich setzt sich ein unrühmlicher Trend fort, der schon in den Vorjahren zu erkennen gewesen ist – vom großen Dunkelfeld ganz zu schweigen. Hier muss künftig ein Schwerpunkt auf die Prävention gelegt werden sowie auf einen effektiven Opferschutz, der es Betroffenen erleichtert, sich der Polizei anzuvertrauen.
Keine Entwarnung gibt es auch angesichts der anhaltend hohen Fallzahlen im Bereich rechtsmotivierter Straftaten. Mit 2.117 Fällen bewegt sich das Aufkommen ganz nah am extremen Niveau der Vorjahre, eine Trendwende ist nicht in Sicht. Unverändert ist die Koalition am Zug, für alle Kriminalitätsbereiche ausreichende Ermittlungskapazitäten zu schaffen und so die Aufklärungsquoten nachhaltig zu steigern. Das gelingt nicht durch den schlichten Ruf nach mehr Polizei und immer weiterreichende Befugnisse, sondern durch genügend Kriminalistinnen und Kriminalisten, die Straftaten aufklären können.
Wie üblich gibt die Kriminalstatistik nur Aufschluss darüber, wie viele Straftaten der Polizei auch bekannt werden, nicht aber darüber, wie viele Straftaten tatsächlich begangen werden. Um die Entwicklung der Kriminalität insgesamt zu bewerten, wäre zusätzlich auch ein Blick darauf notwendig, wie viele Menschen am Ende aus welchen Gründen tatsächlich bestraft und welche Ermittlungsverfahren aus welchen Gründen eingestellt werden. Das leistet die Kriminalstatistik nicht.