Die meisten rechtsmotivierten Straftaten in Sachsen wurden 2020 in Dresden und Leipzig begangen. Das zeigt die Detailauswertung meiner monatlichen Kleinen Anfragen zu diesem Thema (zuletzt: Drucksache 7/5374). Den Daten des Landeskriminalamts zufolge wurden 2020 in der Landeshauptstadt insgesamt 307 Taten aus dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität (PMK) – rechts“ bekannt, in Leipzig waren es 301. Es folgen die Landkreise Leipzig (207), Zwickau (188) sowie Görlitz und Bautzen (jeweils 181). Fast zwei Drittel aller Taten wurden allein in diesen Regionen begangen.
Vergleichsweise wenige Fälle wurden hingegen für die Landkreise Mittelsachsen (106), Vogtland (100) und Meißen (83) vermerkt. Die räumliche Verteilung ähnelt damit den Werten aus dem Jahr 2019. Damals war die absolute Fallzahl in Dresden allerdings noch deutlich höher gewesen (404), aber beispielsweise im Landkreis Zwickau etwas niedriger (147). Der gesamte Datensatz für 2020 summiert sich auf 2.227 Fälle im ganzen Freistaat, gut 100 mehr als kürzlich bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik mitgeteilt wurden. In meine Auswertung einbezogen habe ich Nachmeldungen, die erst nach dem Jahreswechsel bekannt wurden.
Die Detailauswertung ermöglicht auch einen Vergleich des relativen Fallaufkommens. Hier ändert sich das Bild grundlegend: Mit rund 80 Fällen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern lag im vergangenen Jahr der Landkreis Leipzig mit Abstand an der Spitze, es folgen die Landkreise Görlitz (70) und Nordsachsen (67) sowie die Stadt Chemnitz (66). Diese Regionen waren auch bereits 2019 die „Hotspots“ gewesen. Die bevölkerungsreichen Städte Dresden und Leipzig hingegen fanden sich damals wie auch im vergangenen Jahr im Mittelfeld.
Aufschlussreich: Die Corona-Situation hatte nach meiner Einschätzung keinen signifikanten Einfluss auf das Aufkommen rechtsmotivierter Straftaten oder auf die örtlichen Schwerpunkte. Die Gesamtfallzahl bewegt sich damit weiter auf dem erschreckend hohen Niveau der Vorjahre. Und: Auch im Jahresverlauf gab es keinen nachhaltigen Trend nach unten. Ein schlechtes Zeichen!
Rund ein Viertel aller Fälle galt zuletzt als „Hasskriminalität“, solche Taten wurden nach Einschätzung der Polizei vor allem aus einer rassistischen, ausländer- oder fremdenfeindlichen Motivation heraus begangen. Sämtliche Fälle verteilen sich auf mehr als 40 Straftatbestände. Bei etwas mehr als 80 Prozent handelt es sich um sogenannte Propagandadelikte, etwa Naziparolen und Hakenkreuz-Schmierereien, wobei nur das jeweils „hochwertigste“ Delikt angegeben wird. Weiter verzeichnet sind unter anderem 105 Sachbeschädigungen und drei Brandstiftungen. Zudem kam es zu 54 Körperverletzungen. Es gab mindestens 44 Verletzte, zwei davon schwer.
Weit höhere Fallzahlen mit wesentlich mehr Betroffenen nennt die Opferberatungsstelle „Support“ der RAA Sachsen, deren Jahresstatistik vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Der Vergleich zeigt, dass es bei rechtsmotivierten Taten nach wie vor ein erhebliches Dunkelfeld gibt und der Polizei nur ein Teil des Geschehens bekannt oder entsprechend zugeordnet wird. So fehlt in den Polizeidaten unter anderem der Brandanschlag auf ein Gebäude in Döbeln, in dem sich eine Shisha-Bar und ein Döner-Imbiss befinden. Diese Tat ereignete sich im Februar, nur zwei Tage nach dem rassistischen Anschlag in Hanau. Ebenfalls nicht verzeichnet sind der Messerangriff auf einen Libyer Anfang März in Dresden sowie ein weiterer, ebenfalls mutmaßlich rechtsmotivierter Messerangriff auf zwei Besucher einer Party in Dresden Ende August.
Kaum Niederschlag fanden auch die schweren Ausschreitungen in der Leipziger Innenstadt am Rand einer „Querdenken“-Versammlung Anfang November. Dort war es unter Beteiligung zahlreicher Neonazis und Hooligans zu erheblichen Übergriffen auf Einsatzkräfte sowie Journalistinnen und Journalisten gekommen. In der Statistik gingen von diesem Tag jedoch nur acht einzelne Fälle ein, nämlich verbotene Parolen und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz – jedoch keine einzige Gewalttat. Kürzlich als rechtsmotiviert eingestuft wurde hingegen der Fall des KSK-Soldaten Philipp S., auf dessen Grundstück in Nordsachsen Mitte Mai Schusswaffen und Sprengstoff gefunden wurden.