Kritik am „Verfassungstreue“-Gesetz: Kennzeichnungspflicht nur für wenige Polizeieinsätze

Die Koalition beschließt heute das „Gesetz zur Stärkung der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst“ und führt im Zuge dessen die anonymisierte Wechselkennzeichnung für die Polizei ein. Wir begrüßen ausdrücklich die Einführung der sogenannten anonymisierten Wechselkennzeichnung bei der Polizei. Wir haben lange die individuelle Kennzeichnung – nicht unbedingt durch Namensschilder – gefordert. Ebenso lange lautete das Gegenargument, es würde damit ein ,Generalverdacht‘ gegen die Polizei erhoben. Es stärkt die Bürgerrechte, dass jetzt scheinbar ein Umdenken einsetzt. Allerdings bleibt die Koalition auf halber Strecke stehen: In der Praxis bleibt die Kennzeichnung auf geschlossene Einheiten in geschlossenen Einsätzen beschränkt. In den allermeisten Einsätzen wird es also weiterhin keine Kennzeichnung geben.

Zudem ist die Einführung der Wechselkennzeichnung Teil eines Gesetzespakets zur Stärkung der ,Verfassungstreue‘ im Staatsdienst, das keineswegs von bürgerrechtlichen Gedanken getragen ist und dem die Linksfraktion daher nicht zustimmen kann. So vermied es das Gesetz schon vom Entwurfsstadium an, klar zu benennen, aus welcher Richtung die Institutionen des Rechtsstaats gefährdet werden – nämlich von rechtsaußen. Vor allem muss gegen Verfassungsfeinde im Staatsdienst vorgegangen werden, tatsächlich liegt der Fokus jetzt aber außerhalb des Staatdienstes.

Kerninstrument des neuen Verfassungstreue-Checks ist eine verdachtsunabhängige Überprüfung aller Bewerberinnen und Bewerbern der Polizei anhand von Daten des Landesamtes für Verfassungsschutz. Kritisch sehen wir diese Regelüberprüfung auch, weil sie wenige Ergebnisse bringen wird. Denn zu sehr jungen Menschen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, kann der ,Geheimdienst‘, selbst wenn er einmal ordentlich arbeiten sollte, noch kaum Erkenntnisse gesammelt haben. Auf der anderen Seite sollen Beamtinnen und Beamte innerhalb der Polizei einer vergleichbaren Kontrolle nur selten unterzogen werden – trotz zahlreicher Verdachtsfälle, die in den vergangenen Jahren bekannt geworden sind. Damit verfehlt die Novelle ihren Zweck.

Wer sich künftig für die Polizei oder die Sicherheitswacht bewirbt, muss zudem damit rechnen, dass die eigenen Profile in sozialen Netzwerken eingesehen und ausgewertet werden. Das ist untragbar. Sicherlich will niemand eine Person einstellen, die als problematisch auffällt, wenn man den Namen in eine Suchmaschine eingibt. Doch diese ,Lösung‘ der Koalition schießt meilenweit über das Ziel hinaus. Wir teilen die Bedenken der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten, dass der damit verbundene Eingriff mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unvereinbar ist.

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