Sachsen: mehr als 200 rechte Straftaten im September 2016

Das ergab meine jüngste Landtagsanfrage (Drucksache 6/6623). Unter den 204 aufgeführten Fällen, die der Polizei in jenem Monat bekannt wurden, sind vier Körperverletzungen mit drei Verletzten, darunter ein Schwerverletzter. Zu allen Taten wurden bereits mehr als 100 Tatverdächtige namhaft gemacht.

Die vorliegenden Fallzahlen liegen zwar erkennbar unter dem Wert des Vormonats (303 Taten, Details hier). Sie bewegen sich aber weiterhin auf dem im Jahr 2015 erreichten, außerordentlich hohen Niveau (Durchschnitt: 200 Fälle pro Monat). Von einer Entspannung kann daher keine Rede sein. Ein detaillierter Blick zeigt außerdem, dass einige markante Fälle fehlen.

 

„Vergessene“ Gewalttaten?

 

Überraschenderweise nicht in die Statistik eingegangen sind zum Beispiel die Aufsehen erregenden rassistischen Ausschreitungen in Bautzen von Mitte September. Hierzu sind meiner Kenntnis nach mehr als 40 Ermittlungsverfahren anhängig, in denen eine politische Tatmotivation zu einem erheblichen Teil außer Frage stehen dürfte.

Ebenfalls nicht aufgeführt sind die beiden Sprengstoffanschläge in Dresden, die sich in der Nacht zum 27. September ereigneten – und das, obwohl die Polizei durchaus von einem fremdenfeindlichen Motiv ausgeht. Ob hier eine Schönung der Statistik vorliegen könnte, wird sich daran zeigen, ob die „fehlenden“ Fälle im Zuge sogenannter Nachmeldungen noch Eingang finden werden oder nicht.

 

Im Fokus: „Hass-Postings“

 

Voll durchgeschlagen hat in Sachsen längst die erhebliche Zahl von Ermittlungsverfahren wegen Hass-Postings in sozialen Netzwerken, Kommentarspalten und Internetforen. Darin werden nicht selten volksverhetzende Inhalte verbreitet, verfassungswidrige Symbole benutzt, Beleidigungen und Bedrohungen ausgestoßen oder auch Straftaten angedroht.

Mehr als 40 Fälle (Vormonat: 64), in denen ein entsprechender Verdacht vorliegt, sind allein im September bekannt geworden. Dem stehen im gleichen Zeitraum lediglich 17 Verurteilungen wegen ähnlich gelagerter Taten gegenüber (siehe meine Anfrage 6/6624), die fast immer zu einer Geldstrafe führten. Nur in einem Falle wurde ein mehrfach auffälliger Täter zu einer Haftstrafe von fünf Monaten verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung.

Ebenfalls im September wurden in diesem Bereich aus unterschiedlichen Gründen 17 Ermittlungsverfahren eingestellt, in denen Beschuldigte namentlich bekannt waren. Hinzu kommen einige weitere Verfahren, die zu den Akten gelegt werden, weil Verdächtige nicht zu ermitteln waren: Sie verbergen sich hinter kaum aufzulösenden Pseudonymen.

Die vorliegenden Fallbeschreibungen zeigen übrigens entgegen dem landläufigen Eindruck, dass hier nicht etwa angeblich unliebsame „Meinungen“ verfolgt und bestraft werden, sondern vorrangig eindeutig nationalsozialistische Propaganda. Dazu passt, dass insbesondere antisemitische Straftaten vermehrt auch im virtuellen Raum stattfinden (siehe meine Anfrage 6/6625) – dadurch aber nicht an Bedeutung verlieren, sondern an Reichweite gewinnen.

 

Viele Angriffe bleiben unaufgeklärt

 

In sechs zurückliegenden Fällen, in denen Asylunterkünfte in Borna, Chemnitz, Markranstädt, Niederdorf, Pirna und Sebnitz angegriffen worden waren – vom Steinwurf bis zum Brandanschlag – wurden die Ermittlungen im Laufe des September eingestellt. Der Grund auch hier: Täter konnten nicht ermittelt werden.

Nicht weiter verfolgt wird überdies ein Angriff auf No-Pegida-Demonstrierende in Dresden. Offenbar rechtsgerichteter Täter hatten während des ersten sogenannten Pegida-Geburtstags am 19. Oktober 2015 unter anderem Fußtritte ausgeteilt und Pfefferspray versprüht. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelte wegen gefährlicher Körperverletzung, allerdings ohne die Verantwortlichen letztlich zu identifizieren.

 

Hintergründe

 

  • Worum es geht: Erfasst werden Straftaten aus dem Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) rechts, die im Freistaat Sachsen begangen oder im gegebenen Monat der Polizei bekannt wurden. Darunter sind auch Nachmeldungen: ältere Fälle, die erst später zur Anzeige gebracht oder erst im Laufe der Ermittlungen zugeordnet werden konnten. Da die Ermittlungen anhalten, sind die Werte vorläufig.
  • Oft gefragt: Was ist mit linken Straftaten? Nach denen frage ich auch. Die Angaben für den Monat September 2016 können hier abgerufen werden.
  • Mehr erfahren: Nach rechten Straftaten frage ich kontinuierlich seit dem Jahr 2006. Dadurch ist ein langfristiger Vergleich möglich. Alle vorangegangenen Anfragen können in der Parlamentsdokumentation des Sächsischen Landtages recherchiert werden. Bequemer geht es damit.
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