Sachsen: knapp 200 rechte Straftaten im Oktober 2016

Im Monat Oktober wurden 189 rechtsmotivierte Straftaten begangen oder bekannt. Das ergab meine jüngste Landtags-Anfrage (Drucksache 6/6946). Zu den Taten zählen auch 13 Körperverletzungen mit mindestens 17 Verletzten. In allen Fällen sind den Ermittlungsbehörden bereits mehr als 80 Tatverdächtige bekannt.

 

Keine Entspannung, unvollständige Statistik

 

Die vorliegenden Fallzahlen bewegen sich im Bereich des Vormonats und damit nach wie vor des ausgesprochen hohen Niveaus, das im Jahr 2015 mit durchschnittlich etwa 200 Fällen pro Monat erreicht wurde. Trotz jüngsten Ausreißern nach oben (so im Juni und August 2016) kann daher von einer Entspannung keine Rede sein. Auffällig in der neuesten Aufstellung ist überdies die erhöhte Zahl körperlicher Übergriffe.

Nach wie vor nicht in die Statistik eingegangen sind Straftaten im Zusammenhang mit den rassistischen Ausschreitungen in Bautzen von Mitte September sowie die beiden Sprengstoffanschläge in Dresden von Ende September. Im ersten Komplex sind nach wie vor etliche Ermittlungsverfahren offen, im zweiten Komplex tappt die Polizei augenscheinlich im Dunkeln.

 

Unsichere Einordnungen

 

An dieser Stelle muss die Vorläufigkeit der PMK-Statistik, mithin auch die Willkür der Einordnung betont werden. So war beispielsweise der inzwischen gut ein Jahr zurückliegende Anschlag auf die Privatwohnung des sächsischen Justizministers Gemkow in Leipzig prompt als eine – angeblich – linksmotivierte Straftat verbucht worden (hier nachlesen). Dieser Ansicht war seinerzeit das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen, das die Tat sogar einer nicht näher bezeichneten „Leipziger Antifa“ zuschrieb.

Inzwischen wurden Medienberichten zufolge zwei Tatverdächtige ermittelt und Anklage erhoben. Hinweise auf irgendeine politische Motivation erbrachten die Ermittlungen indes nicht. Auf meine Nachfrage erklärte das Innenministerium schon vor einer Weile, bei der gewagten Behauptung des LfV handle es sich lediglich um eine „Einschätzung“ (hier nachlesen) – für die, wie jetzt klar ist, zu keiner Zeit Beweise vorlagen. Mit einer neuen Anfrage (Fragen hier nachlesen), die just in den Geschäftsgang floss, möchte ich erfahren, ob die falsche Tatsachenbehauptung des LfV richtiggestellt oder widerrufen wird.

 

Mehrere Verurteilungen wegen Gewalttaten

 

Im Laufe des Oktober kam es zu mehreren Verurteilungen wegen rechtsmotivierter Gewaltstraftaten, wie eine weitere Kleine Anfrage (Drucksache 6/6947) zeigt. Hier eine Auswahl:

  • Zwei Erwachsene, die im November 2014 in Chemnitz lybische Staatsangehörige geschlagen und sich somit der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht haben, wurden wegen dieser und weiterer Taten zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt.
  • Ein weiteres Urteil erging gegen eine Person, die Anfang Oktober 2015 in Dresden mit Kraftstoff gefüllte Behälter auf ein als Asylunterkunft geplantes Gebäude geworfen und dadurch die Eingangstür inbrand gesetzt hat. Der Täter wurde nunmehr unter anderem wegen Brandstiftung verurteilt und erhielt eine Haftstrafe über zwei Jahre und neun Monate. Und tschüß!
  • In einem dritten Fall wurde eine Person wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung verurteilt. Der Täter hatte im Februar 2016 einen ausländischen Geschädigten beschimpft und mit einer Bierflasche beworfen. Strafe hier: drei Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung.

 

Ermittlungen liefen ins Leere

 

Eingestellt wurden unterdessen zwei in Leipzig wegen Sachbeschädigung geführte Ermittlungsverfahren, in denen keine Täter ermittelt werden konnten. Womöglich identische Unbekannte hatten im November 2015 Parolen an die Wohnhäuser zweier Internet-Blogger geschmiert, deren Klarnamen angebracht, Scheiben eingeschlagen und in einem Fall auch Pyrotechnik auf einem Fenstersims gezündet.

Kein Täter ermittelt werden konnte ferner für eine zur Gewalt aufrufende – oder vielmehr: ankündigende – Schmiererei Ende Dezember 2015, wiederum in Leipzig. An eine Turnhalle im Stadtteil Connewitz war gesprüht worden: „LEGIDA vs. ANTIFA 100 gegen 100 WANN? WO?“ – das war rund zweieinhalb Wochen, bevor tatsächlich zeitgleich zu einer Legida-Versammlung mehr als 200 Neonazis und Hooligans durch den Stadtteil zogen und erheblichen Sachschaden verursachten.

Folgenlos bleibt schließlich das gewaltsame, als Landfriedensbruch gewertete Durchbrechen einer Polizeisperre durch Teilnehmer eines Neonazi-Aufmarsches am 1. Mai 2016 in Plauen. Auch hier waren Tatbeteiligte nicht identifizierbar. Im gleichen Zusammenhang waren bereits im August etliche Ermittlungsverfahren wegen Angriffen auf Polizeibeamte eingestellt worden.

 


 

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